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Muss ich immer recht haben?

Muss ich immer recht haben?

Der Satz aus einem kürzlich gelesenen Artikel „eines der größten Übel der Menschheit ist das unerträgliche Bedürfnis, immer Recht zu haben“ hat mich nachdenklich gemacht. Stimmt der so?

Jeder Mensch hat seine eigene Wahrnehmung davon, wie die Welt ist, und geht davon aus, dass diese für alle Menschen gleich ist. Wie wir wissen, stimmt das natürlich nicht. Ich möchte dazu einen ganz kurzen Moment in den radikalen Konstruktivismus eintauchen, der behauptet: Die Essenz dieser philosophischen Zugangsweise ist, dass die eigene Wahrnehmung kein Abziehbild der Realität ist, sondern dass diese Wirklichkeit für jeden von uns immer ein „Bauwerk“ aus unseren Sinnen und unserem Gedächtnis zeigt. Aus diesem Grund ist für uns echte Objektivität unmöglich – jede unserer Wahrnehmungen ist subjektiv eingefärbt, ein von uns konstruiertes Bild.

Dazu eine kleine Geschichte, um das konstruktivistische Denken besser nachvollziehen zu können – von Paul Watzlawick (aus dem Buch Anleitung zum Unglücklichsein):

„Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, nicht aber den Hammer. Der Nachbar hat einen. Also beschließt unser Mann hinüberzugehen und ihn auszuborgen. Doch da kommt ihm ein Zweifel: Was, wenn der Nachbar mir den Hammer nicht leihen will? Gestern schon grüßte er mich nur so flüchtig. Vielleicht war er in Eile. Aber vielleicht war die Eile nur vorgeschützt, und er hat etwas gegen mich. Und was? Ich habe ihm nichts angetan; der bildet sich da etwas ein. Wenn jemand von mir ein Werkzeug borgen wollte, ich gäbe es ihm sofort. Und warum er nicht? Wie kann man einem Mitmenschen einen so einfachen Gefallen abschlagen? Leute wie dieser Kerl vergiften einem das Leben. Und da bildet er sich noch ein, ich sei auf ihn angewiesen. Bloß weil er einen Hammer hat. Jetzt reicht’s wirklich. – Und so stürmt er hinüber, läutet, der Nachbar öffnet, doch bevor er „Guten Tag“ sagen kann, schreit ihn unser Mann an: „Behalten Sie sich Ihren Hammer, Sie Rüpel!“

Paul Watzlawick: Anleitung zum Unglücksein. München 1984. S37f

Ein wunderbares Beispiel wie sich einen Gedankenkonstrukt zu meinem Nachteil wandelt. Hast du so etwas ähnliches schon erlebt?

Wenn wir mit dieser inneren Einstellung anderen begegnen, entstehen natürlich Konflikte und das harmonische Gleichgewicht in Beziehungen geht verloren. Klarerweise ist es sehr reizvoll, recht zu haben. Wir empfinden Genugtuung, da wir doch unglaublich klug sind, unser Selbstwertgefühl steigt kurzfristig an.

Doch geht dabei ein gewisses Maß an Empathie, an Mitgefühl verloren, wenn es mir nicht gelingt, den Blickwinkel meines Gegenübers zumindest zu akzeptieren, zu respektieren. Wir haben ja auch immer wieder diesen Drang, alles verstehen zu müssen. Vielleicht kommt auch aus dieser Ecke die Überzeugung „Meine Wahrheit ist die einzige Wahrheit“ – weil wir die anderen Sichtweisen weder nachvollziehen geschweige denn verstehen können.

Muss ich alles verstehen?

Über eine lange Zeit war mein oberstes Ziel „ich muss alles verstehen und erklären können“. Was soll ich sagen. Ich bin formidabel gescheitert. Es ist unmöglich alles zu erkennen, zu wissen.

Inzwischen weiß ich, dass – wenn ich auf dem Recht-haben-Trip bleibe – auch eine gewisse Isolation in Kauf nehme. Oder magst du Menschen, die immer Recht haben wollen? Wir wenden uns ab, weil wir viel lieber mit fröhlichen Menschen in Verbindung treten und uns mit ihnen wohlfühlen wollen. Dazu braucht es aber auch die Einstellung „ich verzichte auch mal darauf das letzte Wort zu haben“ und „ich muss nicht alles verstehen“.

Wohin haben uns denn diese unerschütterlichen Überzeugungen geführt? Wir brauchen uns nur die kürzesten Ereignisse anschauen – sei es weltweit oder auch in Österreich. Unsere Welt, unsere Beziehungen sind nicht nur schwarz oder weiß, sondern bunt. Ist es nicht wunderbar, dass es so viele Facetten gibt? Wir brauchen doch die anderen Menschen, um zu lernen und zu wachsen. Wenn wir uns unerbittlich an unserer eigenen Meinung festkrallen und keine andere Sicht zulassen, dann haben Fortschritt und Zusammenwachsen keine Chance.

Zu guter Letzt hat diese Einstellung auch Einfluss auf unsere Gesundheit: „Einer Studie der University of Bradford (England, Vereinigtes Königreich) zufolge leide ein Großteil der Menschen, die immer recht haben wollen, an hohen Kortisolspiegeln (Kortisol ist ein Stresshormon), Geschwüren und dysfunktionalen Beziehungen.“ Weiters wird in dem Artikel aufgezeigt, dass diese Menschen „die Harmonie in ihrer Umgebung negativ beeinflussen, wohin auch immer sie gehen.“

Deshalb meine Eingangsfrage noch einmal gestellt:

Muss ich immer recht haben und zu welchem Preis?

Wenn dich dieser Newsletter zum Nachdenken angeregt hat, freue mich auch über das eine oder andere Kommentar auf meiner Homepage.

Wenn du deine Beziehungen, deine Einstellungen und Glaubenssätze einmal anders betrachten möchtest, begleite ich dich gerne.

Alles Liebe

Sophia Bolzano

PS: Hast du schon mein neuestes Video gesehen? Hier zeige ich dir meinen Arbeitsplatz.

Quelle: https://gedankenwelt.de/das-unertraegliche-beduerfnis-immer-recht-zu-haben/

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